Patagonien erstreckt sich über den südlichen Teil von Argentinien und Chile. Mein Weg führt mich von Puerto Madryn über Ushuaia nach El Chalten und El Calafate. Von Puerto Natales geht es mit dem Schiff hinauf nach Puerto Mont – so sieht meine Route für die nächsten Wochen aus.

Bereits die Ankunft am Flughafen von Puerto Madryn versetzt mich in pures Staunen. Außerhalb des Flughafens, der so klein ist, dass man zu Fuß über das Rollfeld läuft und nur über ein e inziges Gepäckband verfügt, ist – nichts. Soweit das Auge schauen kann nur Pampa. Flach, sandiger Boden, kurzes gelbgrünes Gestrüpp, sonst nichts. Keine Bäume, keine Flüsse, keine Häuser – nichts. Was für eine Weite. Früher waren hier wohl die Rinder für die leckeren Steaks zu finden. Dank des Klimawandels, gibt es aber nicht mehr genug Grün zu futtern. So finden sich hier rießige Weiden, die ungenutzt ihr Dasein fristen.

Diese unendliche Weite begleitet mich in den nächsten Wochen auf meiner Reise durch Patagonien und wird hin und wieder durch die Kleinstädte, Dörfer, Berge oder Seen durchbrochen. Die raue Natur Patagoniens nimmt mich mit seiner Weite und Ursprünglichkeit vom ersten Tag an gefangen. Selbst der immer wieder aufkommende eißige Wind kann meine Faszination für diesen Teil der Erde nicht schmälern. Das Farbenspiel ist einzigartig und leider mal wieder nicht auf irgendwelchen Fotos einzufangen. Es ist das argentinische Leben wie im Film: Rinderherden werden von Gauchos mit ihren Pferden durch die Pampa getrieben. Hin und wieder liegt Gerippe am Rande der Weidezäune. Guanakos, die kleinen Verwandten der Lamas, stehen am Straßenrand und beäugen mich skeptisch.

Auf meiner Reise durch Patagonien schwimme ich mit Seelöwen, die mit mir spielen möchten, beobachte Wale, sehe massige See-Elephanten und lustig watschelnde Pinguine, die mich aus schwarzen Knopfaugen mustern. Ich reite am Sandstrand eines Gletschersees entlang, immer den Blick auf verschneite Berge. Ich stehe am Ende der Welt und fühle mich unendlich weit weg von Zuhause. Hier ist die Landkarte zu Ende, hier geht’s nicht weiter. Oder doch? Die Antarktis ist ganz nah. Expeditionsschiffe zum Südpol stehen in Ushuahia zur Abfahrt bereit. Vielleicht das nächste Mal…

Das Unglaubliche an dieser Landschaft sind unter anderem die Gletscher, die bereits auf 1.500m Höhe zu finden sind. Das heißt, beim Trekken sind die weißen Giganten immer wieder zum Greifen nah. Sie füllen die Lagunen in den Nationalparks Los Glaciares und Torres del Paine mit den blausten Seen, die ich je gesehen habe. Je nach mineralischer Zusammensetzung wechselt das Blau in ein strahlendes Türkis oder ein schimmerndes Grün. Umramt vom anthrazitfarbenen Gestein der aufragenden Berge ergibt sich ein wunderschöner Kontrast. Dazwischen gold-grünes Pampasgras und Gestrüpp, in niederen Lagen auch mal ein paar Bäume.

Auf der argentinischen Seite stehen die weltweit bekannten und bei Wanderern und Kletterern gleichermaßen belieten Bergmassive Cerro Torre und Fitz Roy. Letzterer heißt in der Sprache der Tehuelche-Indianer, El Chalten und bedeutet „Rauchender Berg“. Die Bezeichnung leitet sich von den oft an der Spitze des Berges sichtbaren Wolken ab. Auf der chilenischen Seite sind die 3 Granittürme, die Torres, die Wahrzeichen des Nationalparks.

Ein Grund für mich nach Patagonien zu reisen, war aber der Perrito Moreno Gletscher. An keinen mir bekannten Ort der Welt kann man sich so nah und so einfach an die Gletscherzunge heranwagen. Und das schöne ist: Er zieht sich nicht wie die meisten Gletscher zurück, sondern bleibt in seiner Masse konstant. Ich möchte den Gletscher hautnah erleben, auf ihm Laufen, das Knarzen und Ächzen des Eises hören, während ich an den Gletscherspalten entlang gehe. Voller Euphorie springe ich in die nächste Tour-Agentur. Aber Nichts da! Egal wo ich frage: Es sind Ferien und alle Trekking-Touren sind auf Wochen hin ausgebucht. Das sorgt für extrem schlechte Laune. Werde ich jemals wieder hierher kommen? Wird dieser Traum auf ewig ein Traum bleiben?

Bleibt mir nichts anderes übrig, als mit dem Boot möglichst nahe an diesen Eisriesen heranzukommen. Als ich schließlich davor stehe, kann ich seine schiere Größe kaum erfassen. 60 Meter ragt die weißen zerklüfteten Wand in die Höhe. Die Eismassen schimmern in Gletscherblau, sobald die Sonne darauf scheint. Auch das bedrohliche Ächzen kann ich aus der sicheren Entfernung des Boots hören. Immer wieder bricht ein Türmchen der beeindruckenden Schönheit ab und fällt tosend ins Wasser. Ein unvergesslisches Schauspiel der Natur. Stundenlang könnte ich hier stehen und einfach nur lauschen und schauen. Welch wunderbare Welt!

Mit einer umgebauten Fähre geht es durch Fjorde und Inselketten von Puerto Natales hinauf nach Puerto Mont. 4 Tage lang shippere ich gefährlich nah an den den grünen Inseln entlang, darf mir das Mini-Dörfchen Puerto Eden anschauen, in dem die letzten Nachfahren des indigenen Volkes der Kawesqar leben. Einmal in der Woche kommt unsere Fähre vorbei, bringt Waren und nimmt die untersschiedlichsten Sachen wieder mit. Anonsten gibt es in nächster Nähe des 300-Seelendorfs nichts außer grüne Inseln weit und breit.

Zu Silvester dreht die chilenische Crew kurz auf und ersetzt das fehlende Feuerwerk mit heißen Latinmoves. Hinreißende Rythmen und ausgelassene Chilenen, die uns immer wieder zum Mittanzen bewegen, lassen mich ein ganz anderes Silvester erleben. Prost Neujahr – ich hoffe, ihr seid alle gut rüber gerutscht.

Über Santiago de Chile geht es weiter in den Norden. Die Atacama Wüste wartet bereits auf mich.

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